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20. Juli 2017

Die Pflichtteilsminderung im neuen Erbrecht

Im Zuge der Erneuerung des Erbrechtes wurde auch das Pflichtteilsrecht überarbeitet. Nach wie vor ist es für den Erblasser möglich, einen gesetzlichen Erben „auf den Pflichtteil zu setzen“, also ihm nur die Hälfte des ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zustehenden Erbes zukommen zu lassen.

Ebenso gibt es unter bestimmten Voraussetzungen nach wie vor die Möglichkeit, diesen Pflichtteil nochmals um die Hälfte zu kürzen. Dies war jedoch im „alten“ Erbrecht an strenge Bedingungen geknüpft, welche vom Gesetzgeber nun ein wenig gelockert wurden.
Dieses Minderungsrecht steht nun – anders als früher – auch gegenüber dem Ehepartner bzw. dem eingetragenen Partner zu.

Zuvor war dafür Voraussetzung, dass zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteils-berechtigten zu keiner Zeit ein einem Familienverhältnis entsprechendes Naheverhältnis bestanden hatte.

Mit dem neuen Erbrecht besteht diese nochmalige Verkürzungsmöglichkeit nun auch, wenn „über einen längeren Zeitraum vor dem Tod“ ein solches Naheverhältnis nicht bestand.

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie lange dieser „längere Zeitraum“ ist.
In den Erläuternden Regierungsvorlagen wird dabei von mindestens zwei Jahrzehnten gesprochen. Jedoch sprechen auch Gründe für die Annahme einer kürzeren Frist. Man denke nur an die neue Möglichkeit der Pflichtteilsminderung zwischen Ehegatten. In der Praxis wird es wohl nur sehr wenige Fälle geben, bei denen während aufrechter Ehe mehr als 20 Jahre keinerlei Naheverhältnis zwischen den Ehepartnern bestand. Somit würde dieser Neuerung fast jeglicher Anwendungsbereich genommen.

Wie bisher steht dieses Recht jedoch nicht zu, sollte der Erblasser den Kontakt selbst vermieden oder den Anlass zur Entfremdung gegeben haben. Die Fragen, weswegen keinerlei Kontakt bestanden hatte und wessen Verhalten dafür ausschlaggebend war, sind daher von vehementer Bedeutung.

In diesem Zusammenhang ist auf den Enterbungsgrund wegen gröblicher Vernachlässigung der familienrechtlichen Pflichten hinzuweisen.

Es ist zu hinterfragen, ob ein grundloser Kontaktabbruch gegenüber dem Erblasser über mehr als 20 Jahre nicht auch als ein solcher interpretiert werden könnte.

Eine scharfe Abgrenzung könnte hier sehr schwer fallen und ist jedenfalls im Einzelfall zu prüfen.

Eine weitere Neuerung betrifft die Berechnung der übrigen Pflichtteile bei einer Minderung. Im Gegensatz zur alten Rechtslage erhöht eine Pflichtteilsminderung die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten. Die Summe aller Pflichtteile bleibt somit gleich.

Der Erblasser kann die Pflichtteilsminderung ausdrücklich oder stillschweigend – etwa durch Übergehung im Testament – anordnen.

Eine fundierte rechtliche Beratung einzuholen ist sehr empfehlenswert!

Quelle: Hofmair, Erbunwürdigkeit und Enterbung nach dem ErbRÄG 2015, JEV 2016

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