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17. November 2016

Wer pflegt erbt zuerst – Das neue Erbrecht ab 1.1.2017

Mit 1.1.2017 tritt in Österreich ein neues Erbrecht in Kraft, welches zahlreiche Änderungen mit sich bringt. Die meist über 200 Jahre alten Bestimmungen wurden runderneuert und an die heutigen Bedürfnisse angepasst. Eine dieser Neuerungen ist das Pflegevermächtnis, welches nun einen Anspruch auf Entgelt für pflegende nahe Angehörige schafft. Zwar war dies unter bestimmten, jedoch selten erfüllten, Bedingungen bereits vorher möglich, nun wurde dieser Anspruch jedoch eindeutig festgeschrieben.

Dazu berechtigt sind allerdings nur nahe Angehörige des Erblassers, nämlich alle gesetzlichen Erben und deren Ehegatten, eingetragene Partner oder Lebensgefährten und deren Kinder sowie der Lebensgefährte des Verstorbenen und dessen Kinder. Andere nahe Angehörige, wie zum Beispiel die Schwiegereltern sind davon ausgeschlossen. Ein Grund für diese Ungleichbehandlung ist jedoch nicht ersichtlich.

Der Verstorbene muss in den letzten drei Jahren vor seinem Tod über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten „nicht nur in einem geringfügigen Ausmaß“ gepflegt worden sein. Es ist davon auszugehen, dass dazu jede Hilfs- bzw. Pflegeleistung, auch ohne bestimmte fachliche Tätigkeiten ausreicht. Darunter könnte beispielsweise Hilfe im Haushalt, oder bei Alltäglichkeiten, wie Waschen, oder auch nur das Spazierenführen im Rollstuhl, fallen. Zweifelhaft bleibt jedoch, ob diese Leistungen persönlich ausgeführt werden müssen, was wohl nach dem Wortlaut des Gesetzes eher zu bejahen ist.

Um eine Ausuferung des Pflegebegriffes zu verhindern, muss selbstverständlich auch eine Pflegebedürftigkeit bestehen. Diese kann auch nur zu gewissen Teilen bestehen, ist etwa ein älterer Mensch ohne Weiteres in der Lage selbst einzukaufen und zu kochen, benötigt aber bei der Körperwäsche Hilfe, so ist er in den ersten beiden Punkten nicht pflegebedürftig, im dritten jedoch schon. Vorbeugende Maßnahmen, die den Eintritt einer Pflegebedürftigkeit verhindern, bzw. hinausschieben sollen, gelten jedoch nicht als Pflege.Unklar ist derzeit weiters noch, ob die Pflege sechs Monate durchgehend andauern muss, oder einzelne Pflegezeiträume zusammengezählt werden können. Für ersteres würde sprechen, dass mit dem Entgelt dann die erhöhte Belastung abzugelten wäre, allerdings würden dann Angehörige, die sich beispielsweise alle zwei Monate abwechseln, leer ausgehen

Wird allerdings für diese Pflegetätigkeiten bereits ein Entgelt bezahlt, so steht der Anspruch selbstverständlich nicht zu, da dies ja zu einer doppelten Abgeltung führen würde.

Das Pflegevermächtnis kann auch mit letztwilligen Zuwendungen des Erblassers abgegolten werden, so er dies eindeutig festlegt.

Sollten die Zuwendungen bzw. das Entgelt nicht ausreichen, um die geleistete Pflege abzugelten, steht den pflegenden Angehörigen die noch offene Differenz zu.Allerdings müssen sich Berechtigte ihren Anspruch nicht auf den Pflichtteil anrechnen lassen.

Das Pflegevermächtnis darf auch nicht zur Begleichung der Pflichtteile herangezogen werden, geht also diesen vor. Ein kleinerer Nachlass könnte auf diese Weise völlig aufgebraucht werden, sodass nicht pflegende Pflichtteilsberechtigte leer ausgingen.
Auch darf der Erblasser das Pflegevermächtnis nicht entziehen, es sei denn, es liegt ein Enterbungsgrund vor.

Ebenso sind Vereinbarungen, mit denen eine Unentgeltlichkeit der Pflege vereinbart wurde, ungültig.

Erst wenn das Pflegevermächtnis bereits entstanden ist, also nach dem Tod des Erblassers, kann darauf wirksam verzichtet werden.Einzig bei einer Hinterlassung von Schulden durch den Erblasser gehen die Ansprüche der Gläubiger auch denen der pflegenden Angehörigen vor.Was die Höhe der Abgeltung betrifft, so wird sich diese nach der Entlohnung einer Arbeits-kraft richten, die sich der Gepflegte erspart hat, bzw. dem „der Leistung angemessenen“ Entgelt. Allerdings kann das Entgelt nicht mit dem eines ausgebildeten, professionellen Pflegers gleichgesetzt werden.

Insgesamt reagiert der Gesetzgeber damit auf die Forderung nach einer angemessenen Abgeltung der Mühen jener, die sich um ihre pflegebedürftigen Verwandten in den letzten Jahren ihres Lebens kümmern. Allerdings schafft es auch die Grundlage für eine neue Ebene der Erbstreitigkeiten.

Quellen:
Laura Jöchl, Das Pflegevermächtnis, Zeitschrift für Verbraucherrecht 2016/25

Martin Stefula, Das Pflegevermächtnis nach dem ErbRÄG 2015, Zeitschrift für Ehe und Familienrecht 2016/56

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